Human-Made Logo auf einer Wand, die in einem Farbverlauf von Petrol zu Magenta besprüht ist.

Die letzten zwei Jahre konntet ihr beim Rollenspiel-Publikumspreis „Goldener Stephan“ für zahlreiche Plotbunny-Spiele abstimmen und habt uns so zu insgesamt 2x Bronze (für Gegen das Monster und Die Angst geht um in Fräulein Bernburgs Pensionat) und 4x Kristall (für Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen, Hasi, wie haben einen Dungeon gekauft, Viva la QueerBar und Follow) verholfen. Vielen Dank nochmals dafür – eure Anerkennung bedeutet uns viel!

(Wer noch nicht weiß, was der Goldene Stephan ist und wie er bisher funktioniert hat, kann es in meinem Artikel aus dem letzten Jahr nachlesen.)

Auch dieses Jahr wurde ich von den aktuellen Organisator*innen des Goldenen Stephan (nämlich dem K.E.K.S. e.V.) wieder angeschrieben und gebeten, passende Spiele aus dem Plotbunny-Programm für die diesjährige Abstimmung einzureichen. Leider kann ich dieser Bitte aber nicht nachkommen – und zwar aus folgenden Gründen.

Unseriöse KI-Selbstauskunft

Wir wurden als Verlag dazu aufgefordert, bei der Einreichung unserer Veröffentlichungen in einer „Selbstauskunft“ anzugeben, in welchem Umfang wir „KI“ genutzt haben. Die verfügbaren Kategorien sind:

  • keine/ wenig KI Nutzung (unter 5%)
  • untergeordnete KI Nutzung (unter 20%)
  • relevante KI Nutzung (unter 33%)
  • umfangreiche KI Nutzung (unter 50%)
  • überwiegende KI Nutzung (über 50%)

Goldener Stephan: Selbstauskunft zur KI-Nutzung 2025 (zuletzt abgerufen am 21.09.2025)

Der K.E.K.S. e.V. definiert jedoch weder auf der Website noch in der ursprünglichen Mail an die Verlage, was überhaupt mit „KI-Nutzung“ gemeint ist (ChatGPT? DeepL? Midjourney? „Intelligente“ Retuschetools in Photoshop? Automatische Rechtschreibprüfung?). Er erklärt auch nicht, wonach die Prozentzahl des Umfangs dieser Nutzung berechnet werden soll (Seitenumfang? Arbeitszeit? Anzahl von Illustrationen? Anzahl von Zeichen?).

Das allein macht diese Selbsteinstufung bereits zutiefst unseriös und die einzelnen Einträge nicht valide miteinander vergleichbar – selbst wenn das Formular ansonsten in Ordnung wäre.

Ist es aber nicht.

„Keine KI“ ist nicht das gleiche wie „5% KI“

Der ausschlaggebende Faktor für unsere Nicht-Teilnahme in diesem Jahr ist nämlich, dass das Formular keine separate Kategorie für „gar keine KI-Nutzung“ bietet (und diese auch nicht nachträglich eingerichtet werden kann, wie eine Nachfrage von uns an die Schriftführerin des K.E.K.S. e.V. ergab). Da wir als Verlag sehr ausdrücklich keinerlei generative KI in unseren Produkten verwenden, ist es für uns inakzeptabel, wenn diese 100% menschengemachten Produkte nun in derselben Kategorie landen, wie Produkte, die bis zu 5% KI-generierte Inhalte enthalten. Zur Veranschaulichung: 5% wären z.B. ein KI-generiertes Coverbild bei einer insgesamt 20-seitigen Veröffentlichung, wenn wir „Seitenzahl“ als Berechnungsgröße zugrundelegen.

Die Zusammenfassung von 0-5% KI-Nutzung in einer gemeinsamen Kategorie und die Einstufung von 5-20% KI-Nutzung (also bis zu 4 kompletten Seiten in einem 20-seitigen Produkt, wenn wir bei obiger Rechnung bleiben) als angeblich „untergeordnete“ Nutzung von KI suggerieren weiterhin, dass eine generelle Nutzung von KI im DACH-Rollenspiel vollkommen normal und akzeptiert sei.

Das ist sie aber nicht.

Im Gespräch mit anderen Game Designer*innen, Autor*innen, Übersetzer*innen und Illustrator*innen und auch im Austausch mit „ganz normalen“ Rollenspieler*innen im deutsch- und englischsprachigen Raum erlebe ich nämlich eine massive Ablehnung von generativer KI, insbesondere bei offiziellen Verlagsveröffentlichungen, aber zunehmend auch im Hobby- und nicht-professionellen Selfpublishing-Bereich. Auch der einflussreiche deutsche Rollenspielkanal Orkenspalter TV lehnt inzwischen die Nutzung von generativer KI kategorisch ab (was ich persönlich sehr feiere).

Zum Vergleich: Umgang mit KI bei internationalen Rollenspiel-Preisen und -Plattformen

Auch die relevanten englischsprachige Rollenspiel-Publikums- und Jurypreise lassen keine Produkte (mehr) zu, die mit Hilfe von generativer KI erstellt wurden. Die international sehr bedeutsamen ENNIES haben dieses Jahr die diesbezügliche Regelung nochmals deutlich verschärft und lassen nun keinerlei Produkte mit KI-generierten Inhalten mehr zu – egal, ob 5% oder 100%:

Generative AI remains a divisive issue, with many in the community viewing it as a threat to the creativity and originality that define the TTRPG industry. The prevailing sentiment is that AI-generated content, in any form, detracts from a product rather than enhancing it.

In response to this feedback, the ENNIE Awards are amending their policy regarding generative AI. Beginning with the 2025-2026 submission cycle, the ENNIE Awards will no longer accept any products containing generative AI or created with the assistance of Large Language Models or similar technologies for visual, written, or edited content. Creators wishing to submit products must ensure that no AI-generated elements are included in their works.

ENNIES: Revised Policy on Generative AI Usage (zuletzt abgerufen am 21.09.2025)

Auch internationale Rollenspiel-PDF-Verkaufsplattformen wie Itch.io und DriveThruRPG fragen beim Anlegen von neuen Produkten nach der Nutzung von generativer KI nur in einem Ja/Nein-Schema, weil das schlicht den Interessen des Publikums entspricht (denn den Leuten, für die die Nutzung von KI ein Dealbreaker ist, sind auch 5% KI-Nutzung zu viel).

Intransparenter Zweck der Selbstauskunft

Es stellt sich außerdem die Frage, wozu die KI-Selbstauskunft des Goldenen Stephans überhaupt dienen soll. Auf der Website steht dazu:

„Die Selbstauskunft der Verlage dient lediglich dazu, Spiele für die Abstimmung zu qualifizieren, die überwiegend durch menschliche Kreativität entstanden sind.“

Goldener Stephan: Wie läuft es ab? (zuletzt abgerufen am 21.09.2025)

Zur Erinnerung: Die „überwiegende“ Nutzung von KI fängt für den Goldenen Stephan erst bei 50% an. Daraus lässt sich ableiten, dass alle Einträge in den ersten vier Kategorien (d.h. 0-50% KI-Nutzung) ganz normal in die Abstimmung aufgenommen werden und dort dann gleichberechtigt neben Produkten stehen, die 100% menschengemacht sind.

Damit werden die menschengemachten Produkte implizit entwertet, weil seelenloser KI-Dreck mit den Ergebnissen von menschlicher Kreativität auf eine Stufe gestellt wird.

Per E-Mail wurde mir außerdem von der Schriftführerin des K.E.K.S. e.V. mitgeteilt, dass die Selbstauskunfts-Einträge gar nicht veröffentlicht werden – nachdem es in der ursprünglichen E-Mail an die Verlage noch hieß, dass die Orga bei dem Thema „maximale Transparenz“ schaffen wolle. Wie das zusammengehen soll, ist mir jedoch weiterhin unklar.

Fazit: Goldener Stephan ohne Plotbunny Games

Ich habe keinerlei Interesse, die liebevoll 100% menschengemachten Plotbunny-Veröffentlichungen unter diesen Rahmenbedingungen zur Abstimmung zu stellen und sie dadurch letztlich zu entwerten. Das haben all die kompetenten und begeisterten Menschen nämlich nicht verdient, die mit mir gemeinsam an den Plotbunny-Projekten arbeiten.

Deshalb könnt ihr dieses Jahr beim Goldenen Stephan leider nicht für Catcrawl (in der Kategorie „Deutsches Rollenspiel / Eigenentwicklung von Verlagen im DACH-Gebiet“) oder für Dream Askew/Dream Apart (in der Kategorie „Rollenspielübersetzung“) abstimmen.

Das tut mir insbesondere für die vielen engagierten verlagsexternen Mitarbeiter*innen leid, die als Co-Designerin, Übersetzerin, Lektorin, Sensitivity Reader, Korrektorin, Illustrator*in und/oder Crowdfunding-Beraterin zum Entstehen und zum Erfolg dieser beiden Projekte beigetragen haben (nämlich Arcess, Camilla Kutzner, Carabas Crafts by Brigitte Massek, Ilkao, Mai-Britt Ilse, Jolie, Joy, Knurrkater, Lea Levi, Marino, Moni Massek, naerrin, Nairi, Jasmin Neitzel, Jonas Richter, Lena Richter, Serina, Marx Shepherd, Maurice Soulié und Tali).

Ich habe den K.E.K.S. e.V. weiterhin soeben aufgefordert, auch dann keine Plotbunny-Produkte in die Abstimmung aufzunehmen, wenn sie in der aktuell laufenden offenen Nominierungsrunde ins Nominierungsformular eingetragen werden sollten (bitte spart euch also die Mühe).

Entsprechend werde ich dieses Jahr auch nicht beim Goldenen Stephan abstimmen und auch keine Werbung dafür machen oder andere Leute zum Abstimmen dort auffordern.

Ein Wunsch für die Zukunft

Ich hoffe sehr, dass nächstes Jahr gar keine KI-generierten Inhalte mehr zum Goldenen Stephan zugelassen werden, wie es auch dem internationalen Rollenspiel-Branchenstandard entspricht. Wenn der Goldene Stephan weiterhin der „wichtigste deutsche Rollenspielpreis“ bleiben möchte, ist eine dieser Rolle angemessene Seriösität sicher auch keine unangemessene Erwartung.

Dann reiche ich mit Freuden auch wieder Plotbunny-Veröffentlichungen dort ein und stelle sie neben all den anderen tollen und rundum menschengemachten Produkten von anderen Rollenspielverlagen und Selfpublisher*innen zur Abstimmung, damit wir gemeinsam die Menschen feiern können, die mit Herzblut, Kreativität, Kompetenz und meistens mit wirklich knappem Budget Rollenspiele und Rollenspielerweiterungen entwickeln, übersetzen, illustrieren, layouten und herausbringen – ganz ohne generative KI.

Ergänzung, 28.09.2025:
Es wurde bei der KrähenFee-Con gerade eine Umfrage zum Umgang mit KI bei solchen Events durchgeführt, deren Ergebnisse hier nachzulesen sind (kurz: Die große Mehrheit ist gegen KI, will nichts mit KI kaufen und will mindestens eine klare Kennzeichnung).

(Bildquellen: Human-Made Logo: HINOKODO, Wand-Foto: Andrea Rick, Bildbearbeitung: Andrea Rick).

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