Logo der Gratisrollenspieltage vor einem Galaxis-Hintergrund. Im Vordergrund eine Reihe Zucchini.

Florik hat gestern einen Blogbeitrag veröffentlicht, in dem er kritisiert hat, dass die Teilnahme an den Gratisrollenspieltagen für diejenigen, die dort Material unter die Leute bringen wollen, Geld kostet und dass Kleinstverlage und Game Designer*innen ohne Verlag dabei strukturell benachteiligt sind. Als Kleinverlegerin möchte ich daher in dieser indirekten Antwort schildern, wie ich die Gratisrollenspieltage erlebe und einordne. Und ich möchte allgemeiner über Möglichkeiten zum Ausbauen von Reichweite im Rollenspielbereich sprechen, wenn man kein riesiges Marketingbudget hat. Denn die strukturellen Ungleichheiten sind auch im Rollenspielbereich real und sie sind oft frustrierend. In diesem Punkt hat Florik nämlich recht.

Kocht euch nen Tee und nehmt euch nen Zucchini-Muffin, es wird lang.

Was sind die Gratisrollenspieltage und wie funktionieren sie?

Zu den Gratisrollenspieltagen (GRT) gibt es zahlreiche Veranstaltungen offline und online, mit denen Neue fürs Rollenspiel begeistert werden sollen und erfahrenere Rollenspieler*innen fürs Ausprobieren neuer Spiele und Systeme motiviert werden sollen. Außerdem soll die Rollenspielszene vor Ort gestärkt werden (wobei dieser Ort heutzutage durchaus auch das Internet ist).

Dazu bekommen allerlei Veranstaltungsorte (z.B. Rollenspielläden, Rollenspiel-Vereine, andere Leute, die zu den GRT ein Event organisieren) ein Paket mit Rollenspiel-Material zugesandt, das sie nach Belieben an ihr Publikum verteilen können. Bei diesem Material handelt es sich oft um Schnellstarter für größere Systeme oder eigenständige neue Spiele im Kleinformat, die die Veranstaltenden kostenlos bekommen, ebenso wie deren Publikum. Finanziert wird die Herstellung der Paketinhalte jeweils durch die sie erstellenden Verlage, Organisationen und Einzelpersonen. Gesammelt, verpackt und versandt werden die Inhalte durch Pegasus Spiele, die auch das Porto für die Verteilung an die Veranstaltungsorte übernehmen. Die meisten Paketinhalte werden auch digital zur Verfügung gestellt, meist auf den jeweiligen Seiten der Beitragenden, ausnahmsweise auch direkt auf der Website der GRT.

Inzwischen gibt es weiterhin auch ein nennenswertes Online-Programm mit einstiegsfreundlichen Spielrunden auf vielerlei Discords, in Streams und Co, so dass niemand darauf angewiesen ist, in erreichbarer Nähe eines Veranstaltungsorts zu wohnen, um bei den Gratisrollenspieltagen mitmachen zu können. Alle, die wollen, können ihren Server oder ihren Stream über ein Formular beim ehrenamtlich arbeitenden GRT-Team anmelden und werden dann auf der Website des GRT gelistet und verlinkt.

Das GRT-Team befüllt jedes Jahr also auch die Website der Gratisrollenspieltage, auf der besagte Veranstaltungen, Streams und Online-Spielrunden gesammelt werden und auf der alle Inhalte aus dem GRT-Paket einzeln vorgestellt und die digitalen Downloads verlinkt werden. Einzelne Personen aus diesem Team tingeln auch im Vorfeld und während der Gratisrollenspieltage durch Podcasts und Streams und machen dort Werbung für die Veranstaltungen und Paket-Inhalte. Wohlgemerkt komplett unbezahlt.

Zusätzlich gibt es den von Pegasus organisierten und verwalteten Rollenspiel-Almanach in gedruckter und digitaler Form, der ebenfalls über die genannten Kanäle verteilt wird. Das ist eine Sammlung von Rollenspielmaterial verschiedener Verlage und Solo-Publisher*innen, meist Ergänzungen für deren größere Spiele (man muss also die Grundregelwerke jeweils besitzen, um mit dem Material spielen zu können).

Kurz: Das allgemeine Publikum bekommt bei den GRT kostenlos Spielmaterial, Unterhaltung und ggf. die Möglichkeit, ein neues Spiel auszuprobieren oder überhaupt mal ins Rollenspiel hineinzuschnuppern. Die Veranstaltenden bekommen Werbung für ihre Läden oder Vereine, den persönlichen Kontakt zu ihrem Publikum und einen Anreiz, der die Leute zu ihnen lockt. Diejenigen, die Inhalte ins GRT-Paket packen und dem Publikum spenden, bekommen Reichweite und Werbung für ihre Produkte, Verlage und Organisationen – und zwar in der Regel mehr, als sie allein erreicht hätten. (Ungefähr so erklärt es auch die Website der Gratisrollenspieltage.)

Wie kann man Inhalte zum GRT-Paket oder zum Almanach beisteuern?

Das ehrenamtliche GRT-Team schreibt mit ausreichend Vorlauf all die etablierten Verlage und viele der ihnen bekannten solo-veröffentlichenden Game Designer*innen an und lädt sie zu einer Teilnahme an den GRT ein. Auch Plotbunny Games wurde letztes und dieses Jahr entsprechend angefragt, was uns sehr gefreut hat – gerade als wir noch brandneu waren (Hasi, wir haben einen Dungeon gekauft wurde dann zu den Gratisrollenspieltagen 2023 auch unsere erste gedruckte Veröffentlichung überhaupt).

Man kann einerseits gedrucktes Material zum GRT-Paket beisteuern. Das Material muss eine Auflage von 250 Stück (oder ein Vielfaches davon) haben, denn offenbar packt und verschickt Pegasus jedes Jahr 250 einzelne Pakete. Gedrucktes Material kostet natürlich Geld in der Herstellung – je umfangreicher das Projekt, desto teurer ist der Druck. Was ein 16-seitiges A5-Heft in einer Auflage von 250 Stück (Hasi, wir haben einen Dungeon gekauft, unser GRT-Beitrag vom letzten Jahr) oder ein 8-seitiger Flyer im DIN-lang Format in einer Auflage von 750 Stück (Das Albtraumschiff, unser diesjähriges GRT-Projekt) kostet, könnt ihr auf den Seiten von Online-Druckereien wie WirMachenDruck, Flyeralarm, Laserline & Co nachvollziehen, die die meisten von uns Rollenspielverlagen und -organisationen für solche Produkte nutzen.

Man kann entweder zusätzlich oder ausschließlich auch digitales Material anbieten, das dann ebenso wie die gedruckten Beiträge vom GRT-Team beworben wird. Das lässt sich dann z.B. auf der eigenen Website hosten oder bei Online-Rollenspiel-Marktplätzen wie Itch.io (hier unser Erklärvideo dazu) oder DriveThruRPG. Das Betreiben eines Accounts dort ist jeweils kostenlos, die Plattformen (und die Zahlungsanbieter wie Stripe oder PayPal) nehmen nur dann einen Anteil, wenn Geld fließt. Beide Plattformen bieten auch die Option eines Pay-what-you-want-Verkaufs an, wo die Kundschaft selbst entscheiden kann, ob sie für den Beitrag etwas spenden möchte oder ihn kostenlos herunterlädt. Ich würde übrigens behaupten, dass die Reichweite über die digitalen GRT-Inhalte erheblich größer ist als die Anzahl der Leute, die man direkt über den Beitrag im GRT-Paket erreicht – wobei Online-Reichweite natürlich zusätzlich davon profitiert, wenn andere Leute Fotos der gedruckten Paketinhalte auf Social Media teilen. Nichtsdestotrotz: Auch wenn die Erstellung von PDFs nicht kostenfrei zu haben ist, kann man mit einem rein digitalen Beitrag die Produktionskosten dennoch verhältnismäßig niedrig halten und trotzdem spürbar von der Reichweite der GRT profitieren.

Es gibt ein paar grobe Richtlinien, die das gespendete Material laut GRT-Team erfüllen soll (es soll z.B. idealerweise eigenständig auch für Neue funktionieren, es soll auch digital verfügbar sein und es soll nicht nur Reklame sein, sondern eben auch benutzbares Spielmaterial), aber inhaltlich oder qualitativ gibt es keine Vorschriften und ich habe noch von keiner Ablehnung eines Beitrags gehört. Außerdem bittet das GRT-Team die Beitragenden um ein paar Infos und mindestens ein Bild, damit sie das Produkt auch entsprechend vorstellen und bewerben können.

Die Inhalte des Rollenspiel-Almanachs werden offenbar von Pegasus kuratiert, die als Herausgeberin dafür fungieren. Anscheinend sollen die dort veröffentlichten Verlage, Gruppen und Einzelpersonen auch etwas zu den Druckkosten beitragen. (Disclaimer: Ich habe in die Produktion des Almanachs bisher keine tieferen Einblicke, daher gebe ich hier nur wieder, was Florik in seinem Artikel und Jonas aus dem GRT-Team auf Mastodon dazu spekuliert haben. Ich hatte Pegasus unabhängig von Florik Blogpost diese Woche aus eigenem Interesse als Kleinverlegerin selbst gefragt, wie man in den Almanach kommt, habe aber bisher noch keine Antwort bekommen.) Wenn die Spekulationen stimmen, muss man also erst Pegasus inhaltlich/qualitativ überzeugen und dann einen finanziellen Beitrag leisten, um in den Almanach aufgenommen zu werden.

Sind die Gratisrollenspieltage bzw. der Rollenspiel-Almanach “Abzocke”?

Florik hat das Prinzip der Gratisrollenspieltage (sprich: Verlage/Autor*innen spenden Material, Pegasus bündelt und verschickt es kostenlos an Veranstaltungsorte, Veranstaltende verteilen es an ihr Publikum, Publikum bekommt es kostenlos) mit der “Abzocke durch Zuschussverlage im Buchmarkt” verglichen und lehnt es ab, für die Veröffentlichung seiner Materialien im GRT-Zusammenhang Geld auszugeben. Letzteres ist natürlich sein gutes Recht. Der Vergleich missversteht aber, was die GRT und der Rollenspiel-Almanach sind und sein wollen.

Der Rollenspiel-Almanach

Ein Druckkostenzuschussverlag hat als Geschäftsmodell, sich fürs Publizieren von Büchern von deren Autor*innen bezahlen zu lassen, wobei die Autor*innen nur verlieren können (was in der Tat Abzocke ist). Das Team der Gratisrollenspieltage ist aber kein Unternehmen, sondern eine Gruppe ehrenamtlich engagierter Leute, die das Ganze wirklich aus Begeisterung und Leidenschaft machen. Niemand von ihnen verdient etwas an der Orga-Arbeit und sie bekommen noch nichtmal automatisch alle Paketinhalte auch gedruckt zugeschickt. Daher ist es auch absurd, das GRT-Orga-Team mit Druckkostenverlagen zu vergleichen.

Der Rollenspiel-Almanach (wenn er denn wirklich über eine Druckkostenumlage finanziert wird, was ja noch zu klären ist) wird zwar tatsächlich von einem Unternehmen (Pegasus) herausgegeben. Da das Endprodukt aber nicht verkauft wird, sondern kostenlos an die Kundschaft abgegeben (mit dem Umweg über die GRT-Veranstaltenden, die dafür ebenfalls kein Geld kriegen), gibt es auch hier keinen direkten Gewinn, der an den Autor*innen vorbei zu Pegasus fließt. Ebensowenig verdient Pegasus am Versand der GRT-Pakete oder des Almanachs – im Gegenteil, sie steuern selbst Inhalte, Logistik- und Portokosten bei. Auch hier ergibt der Vergleich mit Druckkostenzuschussverlagen also keinen Sinn.

Was Pegasus bekommt, ist wiederum Werbung: Sie werden im Rahmen der GRT-Werbung erwähnt, die Leute kommen in ihren Shop, um sich den Almanach runterzuladen, und ihr Image profitiert vermutlich auch von der ganzen Aktion. Und da Pegasus hier als Herausgeberin fungiert (auch wenn die rechtliche Verantwortung laut Impressum bei den einzelnen Beitragenden liegt, die dafür aber auch keine sonstigen Rechte an Pegasus abtreten), haben sie natürlich (wie jeder andere Verlag und jede andere Herausgeberin auch) das Recht, zu entscheiden, welche Inhalte sie anfragen oder aufnehmen wollen und welche nicht.

Kurz: Der Almanach ist eher ein gemeinsam finanziertes Werbeprojekt. Er ist aber keine reguläre Verlags-Veröffentlichung, wie z.B. unsere Anthologie Neue Questen für Follow, für die wir die Autor*innen angefragt und – vorfinanziert durch das entsprechende Crowdfunding – bezahlt haben, an deren Verkauf wir als Verlag Geld verdienen. Da der Almanach aber gar nicht verkauft wird, sondern verschenkt (also Werbematerial ist), unterscheidet er sich nennenswert von Büchern, die von Druckkostenzuschussverlagen produziert werden.

Die Gratisrollenspieltage als Werbeveranstaltung für Verlage & Game Designer*innen

Denn ja, natürlich ist der GRT aus Sicht von Verlagen und Organisationen auch eine Werbeveranstaltung. Wir nehmen nicht nur aus reiner Begeisterung fürs Hobby daran teil, sondern auch, weil wir uns erhoffen, über die GRT unsere Rollenspiele bekannter zu machen und neue Kundschaft zu gewinnen, die später auch unsere Produkte kaufen. Zumindest Plotbunny Games erreicht über die GRT-Kanäle auch nachweislich ein Publikum, das wir sonst nicht so ohne weiteres erreichen würden. Daher ist diese Werbemaßnahme auch im zweiten Verlagsjahr für uns sinnvoll und wir haben wieder ein neues Spiel geschrieben dafür und gedruckt, spielen es in Online-Streams und bieten auf unserem Discord verschiedene Spielrunden an, um unsere Community zu zusammenzubringen.

Wie jede Werbemaßnahme sind auch die GRT als Verlag aber immer auch zum Teil Spekulation, denn man weiß vorher nur selten mit 100%iger Sicherheit, ob hinterher alles so funktioniert wie erhofft (Hasi, wir haben einen Dungeon gekauft war z.B. ein deutlich größerer Erfolg, als wir ursprünglich erwartet hatten – was natürlich das bestmögliche Ergebnis ist). Und manche Wirkung einer Werbemaßnahme lässt sich auch nur schwer 1:1 messen, denn natürlich ist die Präsenz im GRT-Kontext auch eine Investition in ein allgemeines Bekanntwerden, damit bei späteren Produktankündigungen oder Crowdfundings ein Wiedererkennungseffekt besteht (“Das waren doch die mit dem Hasi-Dungeon – den fand ich gut, daher guck ich mir deren neues Projekt auch mal an.”). Ob sich diese Investition für eine bestimmte Person, Organisation oder einen Verlag lohnt, müssen natürlich alle selbst kalkulieren (und deswegen ist es auch vollkommen okay, wenn Florik zu dem Schluss kommt, dass der GRT nicht seine Plattform ist).

Und ja, natürlich haben diejenigen mit dem größeren Marketing-Budget (und/oder der längeren Existenzgeschichte, während der sie Zeit hatten, bekannt zu werden) meistens die größere Reichweite. Das ist im Rollenspielbereich leider nicht anders als überall sonst auch im Kreativbereich (Belletristik, Musik etc.). Verglichen mit den Großen der Branche (seien es nun Wizards of the Coast international oder Ulisses oder Pegasus im deutschen Raum), können Kleinverlage, Solo-Publisher*innen und Non-Profit-Organisationen immer nur schlechter abschneiden, weil wir schlicht weniger Geld, weniger Leute und meistens auch weniger Zeit haben, unsere Produkte herzustellen und unter die Leute zu bringen. Von anderen Nachteilen, die durch Marginalisierungen und Diskriminierung entstehen, ganz zu schweigen.

Ich empfinde die Gratisrollenspieltage aber gerade als einen Ansatz, der versucht, diesen Ungleichheiten ein wenig entgegenzuwirken. Durch die gemeinsame Plattform in Form der GRT-Website (wo es übrigens auch kostenlose Ressourcen für Veranstaltende gibt), die gemeinsame Werbung durch das GRT-Team, durch den gemeinsamen Termin, das gemeinsam finanzierte Paket, den gespendeten Vertrieb durch Pegasus (unterschätzt bitte echt nicht den Aufwand des Vertriebs!), das gemeinsame Hashtag (#GRT2024) und den dadurch erzeugten gemeinsamen Community-Hype bekommen eben nicht nur “die Großen” etwas vom Rollenspiel-Zucchini-Muffin ab, sondern auch wir Kleinen. Beim ZineQuest/ZineMonth jeden Februar lassen sich meiner Meinung nach ähnliche Effekte beobachten – auch wenn es dann immer noch nennenswerte Unterschiede zwischen den einzelnen Kampagnen gibt und nicht alle den gleichen Erfolg haben (die Gründe dafür sind komplex und führen an dieser Stelle zu weit).

Strukturelle Ungleichheiten im Rollenspiel-Publishing und Ansätze, sie auszugleichen

Florik hat also recht: Es gibt strukturelle Ungleichheiten im Rollenspiel-Publishing. Und man muss sich die Teilnahme an den Gratisrollenspieltagen erstmal leisten können. Man muss Zeit und Energie haben, entsprechende Inhalte (Regelwerke, Texte, Bilder, Layouts) zu erstellen, man muss deren Online-Verfügbarkeit einrichten (was mindestens Zeit und Energie kostet) und man muss ggf. die Druckkosten finanzieren (und alle anderen Produktionskosten wie Lektorat, Korrektorat, Illustration, Layout & Co, wenn man das nicht alles unbezahlt selbst macht). Selbstverständlich sind damit viele Leute bereits ausgeschlossen – das gilt aber auch fürs Game Design und (Self-)Publishing insgesamt, nicht nur für die Gratisrollenspieltage. (Ich habe in diesem Talk über queere Rollenspiele schonmal genauer über allgemeine Produktionsbedingungen im Indie-Rollenspielbereich gesprochen.)

Nichtsdestotrotz möchte ich ein paar Ansätze aufzeigen, mit denen auch Solo-Game-Designer*innen und -Rollenspiel-Autor*innen vielleicht auch ohne Berge von eigenem Budget Druckversionen in kleiner Auflage finanzieren und/oder mehr Reichweite für ihre Projekte erlangen können. Die Lösung für die vorhandenen strukturellen Ungleichheiten ist aber ausdrücklich nicht, ausgerechnet auf den ehrenamtlich engagierten Leuten herumzuhacken, die unbezahlt für den Erfolg des Projekts Gratisrollenspieltage arbeiten, weil sie es wichtig finden. Oder von ihnen zu verlangen, dass sie Indie-Rollenspiel-Designer*innen obendrein auch noch Geld für Druckkosten beschaffen (als wären nicht eine breit wirksame Werbeplattform und ein zuverlässiger Vertriebsweg durch Pegasus als Logistikprofi nicht schon eine ganze Menge).

Spoiler: Keiner der von mir genannten Ansätze ist eine Universallösung, alle diese Ansätze haben Grenzen, keiner dieser Ansätze funktioniert für alle, keiner dieser Ansätze funktioniert ohne eigene Arbeit. Außer vielleicht der mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen für alle. Aber dann haben wir immer noch an ganz vielen anderen Stellen mit strukturellem Sexismus, Rassismus, Ableismus und struktureller Trans-, Bi- und Homofeindlichkeit und dem ganzen anderen Diskriminierungsmist zu tun. Aber vielleicht lassen sich mit diesen Ideen ja zumindest ein paar Schritte in Richtung von mehr Zucchini für alle gehen?

Individuelle Ansätze

Eine Präsenz im GRT-Paket muss auch für Solo-Creator nicht zwingend einen dreistelligen Betrag kosten, wenn man clever konzipiert. Wer sein Spiel auf einem Flyer in Postkartengröße unterbringen kann (was ja durchaus möglich ist), kann für unter 15 € Druckkosten immerhin in jedem GRT-Paket einmal vertreten sein und auf der GRT-Website entsprechend beworben werden. Wenn es ein ordentliches A5-Heft mit etwa 20 Seiten sein soll, reden wir je nach Papiersorte über Beträge um die 200-250 € für eine Auflage von 250 Stück. Das kann schon deutlicher den Rahmen einer Einzelperson sprengen. Bei Illustrationen lässt sich immerhin sparen, wenn man kostenlos verfügbares Bildmaterial nutzt, selbst zeichnet und sich kein Honorar dafür berechnet oder sich bei der grafischen Gestaltung auf Layout-Elemente wie Schriftarten, Ränder, Hinterlegungen, Textplatzierung etc. beschänkt. Dennoch macht eine reich bebilderte Broschüre oft mehr her als eine Postkarte – aber auch ein bescheidenes 16-seitiges Heftchen wie Hasi, wir haben einen Dungeon gekauft mit Public-Domain-Titelbild und sparsamen Illustrationen im Innenteil (die überwiegend “durchgepauste” Public-Domain-Bilder sind, teils mit Collage-Anteilen) kann durchaus Aufmerksamkeit gewinnen, wenn es den richtigen Nerv des Publikums trifft.

Und mit einigermaßen Social Media Kompetenz lässt sich auch ohne Werbegeld durchaus Reichweite schaffen – wenn auch nicht über Nacht und nicht ohne den aktuell überall unter Berufs- und Hobby-Kreativen herrschenden Frust, dass sich seit dem faktischen Ende von Twitter als sinnvoll nutzbarer Plattform alle auf zig andere Plattformen (Mastodon, Bluesky, Threads, Tumblr, Instagram etc.) zerstreut haben und man daher überall präsent sein muss und mit der dreifachen Arbeit die Hälfte der Leute erreicht. Oder dass man bestimmte Leute gar nicht mehr direkt erreicht, weil sich viele in private oder semi-private Discords zurückgezogen haben.

Nichtsdestotrotz ist eine Investition von 100-250 € oder von vielen, vielen Stunden auf Social Media ist für viele Indie-Autor*innen einfach nicht drin, auch wenn verhältnismäßig große Verlage solche Beträge entspannt aus der Portokasse bezahlen oder Angestellte haben, deren einziger Job das Social Media Marketing ist. Und natürlich lassen sich strukturelle Ungleichheiten nicht zuverlässig und schon gar nicht für alle durch individuellen Erfindungsreichtum ausgleichen. Daher braucht es auch gemeinschaftliche Ansätze, um diese Ungleichheiten auszugleichen – und dass uns Social Justice auch als Verlag am Herzen liegt, habt ihr vermutlich schon mitbekommen.

Florik wünscht sich in seinem Artikel für Indie-Autor*innen, dass “Werbe- und Verbreitungsmöglichkeiten ohne verbundene Kosten geschaffen werden, damit sie sich einen Ruf aufbauen, außerhalb einer kleinen Online-Community bekannt werden können”. Aber wer soll das tun? Und warum? Denken wir mal gemeinsam drüber nach.

Förderung durch etablierte Verlage

Im englischsprachigen Raum (der eine erheblich größere Indie-Rollenspielszene hat als der deutschsprachige) gibt es Ansätze wie z.B. den Haeth Grant von Possum Creek Games, mit dem nahezu bedingungslose Stipendien an Kreative gezahlt wurden, die damit Material erstellen konnten, das vom Spiel Wanderhome von Jay Dragon inspiriert war. Oder wie das Omen Project von Evil Hat Games, die ähnliche Stipendien für das Spiel Apocalypse Keys von Rae Nedjadi ausgeschrieben haben und für das sich alle Interessierten relativ niedrigschwellig bewerben konnten. Beide Projekte wurden aber durch die enorm erfolgreichen Crowdfundings der entsprechenden Rollenspiele finanziert und waren darin Bonusziele, wurden am Ende also auch durch die Community finanziert und vom Verlag “nur” organisiert (und das sind sehr dicke Anführungszeichen ums “nur”). Deutlich weniger Geld gibt es z.B. für einen Gewinn bei den Schreibwettbewerben von Gauntlet Publishing (ich habe im Brindlewood Bay Writing Contest mal den zweiten Platz gewonnen und dafür $100 gekriegt), bei denen es aber dafür oft kostenlose Workshops mit Tipps vom Verlagsinhaber gibt und manchmal auch eine spätere Veröffentlichung beim Verlag herausspringt. Alle diese Projekte sind immer an ein konkretes Spiel gebunden, das sie letztlich immer auch bewerben.

Im deutschsprachigen Bereich gehen z.B. Projekte wie der Fanzine-Wettbewerb von System Matters (bei dem für Verlagsprojekte oder systemübergreifend Rollenspielmaterial eingereicht werden kann) oder der Heinzcon-Schreib- und-Illustrations-Wettbewerb zu Diversität in der Welt von Splittermond vom Uhrwerk-Verlag Ansätze in eine ähnliche Richtung. Hier finanzieren jedoch auch die Autor*innen den Druck (Fanzine-Wettbewerb) oder es wird ohnehin nur ein PDF vom Verlag herausgegeben (Heinzcon-Wettbewerb). Es steckt bei beiden Wettbewerben aber auch kein Crowdfunding-Erfolg als direkte Finanzierung dahinter. Dafür bekommt man beim Fanzine-Wettbewerb immerhin den Vertrieb von exakt 33 Exemplare des eigenen Zines kostenlos mit dazu und kann weitere Exemplare hinterher selbst verkaufen und verschicken oder versuchen, sie anderweitig im Rollenspielhandel unterzubringen (wo dann quasi der Händlerrabatt für den Vertrieb bezahlt). In beiden Fällen entscheidet auch hier der Verlag bzw. eine von ihm beauftragte Jury, wer gewinnt, und es gibt jeweils einen Bezug zu den Produkten des Verlags. Aber es gibt halt auch Reichweite, je nachdem, wie gut der Verlag die Beiträge und den Wettbewerb insgesamt bewirbt (System Matters stellt alle Beiträge z.B. auf der eigenen Website vor und ebenso mit spürbarer Begeisterung live auf der FeenCon, was letztes Jahr auch als Stream übertragen und aufgezeichnet wurde).

Denn natürlich sind solche Wettbewerbe oder Stipendien von Verlagen immer gleichzeitig Nachwuchsförderung und Werbemaßnahme, denn ein Verlag ist halt ein Unternehmen und kein Wohltätigkeitsprojekt. Daher werden bereits etablierte Verlage vermutlich auch zukünftig keine komplett kostenlose Werbung für vollkommen frei gewählte Projekte von Autor*innen oder Solo-Publisher*innen machen, die letztlich in Konkurrenz zu ihnen arbeiten. Sondern sie werden eher Förderungen ausschreiben, die einen Bezug zu den vorhandenen Verlagsprodukten haben und den damit verbundenen Werbeeffekt für sich nutzen. Nichtsdestotrotz lässt sich hier Reichweite als Creator gewinnen und vielleicht sogar ein Grundstein für eine spätere Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Verlag legen.

Zusammenarbeit mit Verlagen

Wenn man an einer Zusammenarbeit mit einem Verlag überhaupt Interesse hat – denn oft arbeiten Self-Publisher*innen ja mit voller Absicht nur jenseits etablierter Verlage, weil so ein größerer Teil der Einnahmen bei ihnen landet und sie die volle kreative Kontrolle und alle Rechte an ihren Werken behalten. Dafür bekommen sie aber eben auch keinen Zugriff auf die Infrastruktur eines Verlags, der sich z.B. auf seinen Kanälen um Marketing und Vertrieb kümmert (und für die der Verlag seinen Anteil aus den Verkaufseinnahmen und gewisse Freiheiten im Rahmen der erworbenen Nutzungsrechte bekommt – z.B. zu entscheiden, wie das Buch am Ende aussieht). Warum also sollte ein Verlag ausgerechnet eine Veröffentlichung einer externen Person oder eines anderen Kleinverlagsunternehmens aus eigener Tasche finanzieren? Noch dazu, wenn dieses Projekt (wie der Rollenspiel-Almanach) am Ende verschenkt wird und keinerlei direkte Einnahmen generiert? Für mich klingt das, als ob die imaginierte Selfpublishing-Person hier den Kuchen die Zucchini gleichzeitig essen und behalten will.

Aber es gibt durchaus Indie-Game-Designer*innen, die sowohl für Verlage schreiben als auch ihre eigenen Projekte unabhängig davon veröffentlichen. Und natürlich bekommen sie durch ihre Arbeit für den Verlag auch indirekt Reichweite für ihre anderen Projekte. Bei Plotbunny Games ist dieser gegenseitige Effekt durchaus auch erwünscht und Teil unserer Investition in eine vielfältige deutschsprachige Indie-Rollenspielszene. Deshalb engagieren wir externe Autor*innen, wenn wir können (siehe Neue Questen für Follow oder Die Angst geht um in Fräulein Bernburgs Pensionat), geben auf jeder Infoseite zu unseren Spielen Credits (oft mit Links) und machen auf unserem Verlags-Discord Platz, damit Leute aus unserer Community eigene Kreationen bewerben können.

Dass nicht alle Interessierten ihre Produkte auch bei Verlagen unterbringen können, ist dennoch wahr und nicht immer gerecht. Natürlich verteilen auch Menschen bei Rollenspielverlagen ihre meist sehr begrenzten Ressouren an Zeit und Geld lieber an Projekte, die in ihr gewünschtes Portfolio passen, von denen sie sich ausreichend Gewinn versprechen und/oder mit deren Beteiligten sie gut klarkommen und von denen sie sich respektiert fühlen. Manchmal führt das zu unschönem Vetternwirtschafts-Geklüngel (und das ist die Stelle, wo viele Marginalisierte rausfallen, was wir zu Recht kritisieren), manchmal aber auch dazu, dass Marginalisierte versuchen, einander Brücken zu bauen und Türen zu öffnen, anstatt die Leiter hochzuziehen, und daher ihre Aufmerksamkeit zunächst aufeinander und dann erst auf weiße cis Männer richten. Manchmal macht man ein eher nischiges Projekt, weil man sich von jemand anderes Begeisterung hat anstecken lassen. Manchmal versucht man sehr bewusst, ein Stück des aktuellen Trend-Zucchini-Kuchens abzukriegen. Manchmal macht man ein Projekt eher fürs Geld, um ein anderes zu finanzieren, das man liebt, mit dem man aber keinen nennenswerten Gewinn machen wird. Oder man lehnt ein tolles Projekt ab, weil man schon etwas Ähnliches in der Pipeline oder im Programm hat, damit sich die Projekte nicht gegenseitig Konkurrenz machen. Und so weiter, denn Verlagsentscheidungen haben viele Faktoren.

Ganz allgemein darf man Rollenspielverlage aber auch jenseits spezieller Förder-Aktionen durchaus mal danach fragen, wie sie ihre Angestellten und Freelancer*innen bezahlen und wer sich die professionelle (oder auch nur hobbymäßige) Arbeit zu solch niedrigen Honoraren eigentlich leisten kann. Und wie viele Menschen, die für Rollenspielverlage arbeiten, keine weißen cis Männer sind und in welchen Bereichen sie jeweils tätig sind. Davon haben Indie-Creator zwar nur indirekt etwas, aber Verlage setzen halt auch Branchenstandards und damit Erwartungen. Und da geht sicher überall noch mehr Vielfalt und Gerechtigkeit als wir aktuell sehen (ja, auch bei uns, trotz allem).

Sonstige Nutzung von Verlagsressourcen

Einige Verlage (darunter auch Plotbunny Games) stellen auf ihren Discord-Servern auch Bereiche zur Verfügung, in denen sich Autor*innen zu Game Design austauschen und vernetzen können. Je nach Verlag ist dort erstmal alles erlaubt oder es soll sich auf Material zu den Spielen des Verlags beschränkt werden. Und einige Verlage (wir auch) erlauben auch Empfehlungen und Reklame für verlagsfremde Publikationen, auch wenn sie nichts mit den Verlagsprodukten zu tun haben. In jedem Fall haben Solo-Creators hier auch einen gewissen Anteil an der Reichweite des Verlags.

Und ja, auch der kostenlose Vertrieb von GRT-Paketen durch Pegasus oder von Fanzine-Wettbewerbs-Beiträgen durch System Matters eröffnen ein Teilhaben an bestimmten Verlagsressourcen, wenn auch nicht ohne Bedingungen und nicht ohne eigene Investition an Zeit und Geld. Ob sich eine Teilnahme an solchen Aktionen daher im Einzelfall lohnt, muss jede Person bzw. Gruppe für sich selbst kalkulieren und entscheiden.

Publikumspreise und nicht-verlagsgebundene Wettbewerbe

Bei einem Publikumspreis wie dem Goldenen Stephan kann man entweder nominiert werden, wenn man dessen Ausrichter im Vorjahr bereits aufgefallen ist. Man kann aber auch mit ausreichend Write-in-Einträgen Beiträge nominieren, die gar nicht auf der ursprünglichen Liste standen, und damit in die Top 10 kommen (das ist uns z.B. letztes Jahr mit Viva la QueerBar gelungen). Auch dafür braucht man aber schon eigene vorhandene Reichweite und muss zudem Zeit und Energie ins Marketing der Abstimmung stecken, um sein Publikum zu aktivieren, sonst wird das nichts. Da der Goldene Stephan selbst auch ein unbezahltes Freizeitprojekt ist, gibt es hier außer Ruhm und etwas Reichweite auch nichts weiter zu gewinnen – gedruckt wird auch hier vorher und auf eigene Kosten. Vergleichbares gilt übrigens international auch für die ENnies, bei denen sogar auf eigene Kosten die gedruckten Spiele an alle Judges geschickt werden müssen, was offensichtlich nicht für alle Game Designer*innen finanziell machbar ist. Erst recht nicht, wenn sie nicht in den USA leben, sondern z.B. im Globalen Süden.

Die meisten anderen mir bekannten deutschsprachigen Rollenspiel-Schreibwettbewerbe (wie z.B. der ehemalige Winter One-Page-Contest, bei dem als Preise Schnellstarter von etablierten Verlagen gespendet wurden) endeten m.W. auch “nur” in einer PDF-Sammlung der Siegesbeiträge, die nach den Kriterien derjenigen, die den Preis ausschreiben und die Einreichungen bewerten, zusammengestellt wurde. Auch hier stecken also Freiwillige ihre unbezahlte Arbeitszeit ins Schaffen von Reichweite von (meist) Indie-Autor*innen.

Dass Publikumspreise nicht immer das objektiv beste Spiel am höchsten bewerten, sondern das Spiel mit der größten vorhandenen und aktivierten Reichweite, dass auch das ehrenamtliche Ausschreiben von Preisen oder die Teilnahme an Jurys nicht allen Rollenspielbegeisterten gleichermaßen zugänglich ist (und dass auch hier wieder Marginalisierungseffekte greifen) – und dass dies wiederum Auswirkungen auf die Nominierten und die Gewinner*innen hat, sei hier nur am Rande erwähnt.

Crowdfunding-Modelle und Pay-what-you-want-Refinanzierung

Orkenspalter TV hat einen ihrer beiden Beiträge zum diesjährigen GRT-Paket durch Spenden ihrer Community als Druckexemplare finanziert. Diese Community haben sie sich aber natürlich auch in jahrelanger Arbeit geschaffen und sie nicht einfach so von irgendwem geschenkt bekommen. Auch frühere GRT-Beiträge von anderen Autor*innen wurden über Crowdfundings z.B. auf StartNext finanziert. Auch unabhängig vom GRT sind Crowdfundings ja gerade im Rollenspielbereich eine ziemlich verbreitete Möglichkeit geworden, die Produktion von Rollenspielmaterial zu finanzieren, gleichzeitig dafür zu werben und herauszufinden, wie groß das eigene Publikum eigentlich ist, damit man am Ende nicht auf Hunderten oder gar Tausenden von unverkauften Druckexemplaren im Keller sitzenbleibt.

Es spricht also nichts dagegen, auch den eigenen GRT-Beitrag durch eine selbst organisierte Vorfinanzierung möglich zu machen. Oder hinterher durch eine Pay-what-you-want-Veröffentlichung auf eine teilweise Refinanzierung zu hoffen. Eine PWYW-Refinanzierung ist übrigens ein Teil unserer Strategie bei den GRT-Beiträgen von Plotbunny Games – und bei Hasi, wir haben einen Dungeon gekauft haben wir durch nachträgliche Spenden tatsächlich fast alle Druckkosten wieder hereinbekommen, bevor wir später angefangen haben, das Spiel regulär zu verkaufen (auch das ist eine Möglichkeit der Refinanzierung).

Diesen Finanzierungsformen ist jedoch wieder gemein, dass sie durch die jeweiligen Creators initiiert und beworben werden müssen, was ein entsprechendes Engagement auf Social Media und in anderen (digitalen) Rollenspielräumen erfordert. Und dass sie besser funktionieren, wenn man schon eine gewisse Reichweite hat, wenn man damit anfängt. Und dass man für ein reibungsloses Crowdfunding auch noch zusätzliches Wissen und Können braucht, um sich nicht zu verkalkulieren und am Ende episch Zeit, Nerven und oft auch Geld mit Katastrophenmanagement zu verlieren und die mühsam erworbene Kundschaft zu verärgern und zu enttäuschen.

Spendenpools und Förderung von Einzelprojekten durch Rollenspiel-Vereine

Ein weiterer Vorschlag auf Mastodon war, dass andere Ehrenamtliche mit ihrer unbezahlten Arbeit dafür sorgen könnten, dass es Spendenpools oder ähnliches gibt, mit denen Solo-Game-Designer*innen dann ihre Werke bewerben können. Aber wer soll diese Spendenpools mit Geld und ehrenamtlicher Arbeitszeit befüllen – erst recht, wenn die Werbung am Ende doch wieder dafür sorgen soll, dass die Autor*innen mit ihrer Arbeit “normal” Geld verdienen?

Eventuell könnten gemeinnützige Rollenspielvereine wie der OgeR e.V. mit ausreichend Mitgliedsbeiträgen längerfristig solche Pools aufbauen und sich um die Verteilung der entsprechenden Gelder kümmern. Die ehrenamtliche Arbeit ihrer Mitglieder würde dann in die Ausschreibung, Werbung, Sichtung/Bewertung und Auszahlung fließen, sowie in den dazugehörigen Steuer- und Papierkram anstatt in andere Projekte, denn so ein Verein hat ja auch keine endlosen personellen Ressourcen an aktiven und kompetenten Menschen. Wenn er sich also zur Einrichtung und Verwaltung eines solchen Spendenpools entscheidet, hat er diese Ressourcen nicht mehr für andere Betätigungsfelder, von denen vielleicht erheblich mehr Menschen direkt profitieren würden. Die Gilde der Fantasy-Rollenspieler e.V. hat z.B. letztes Jahr eine Anschubfinanzierung für die Gewinner*innen des Ideen-Wettbewerbs IdeenFee vergeben (wobei man jedoch auf eigene Kosten die FeenCon besuchen musste, um sein Projekt dort zu präsentieren, was wiederum jede Menge Leute von vorneherein kategorisch ausgeschlossen hat). Und solche Vereine brauchen für solche Förderprojekte natürlich auch die nötige Anzahl zahlende Mitglieder, um entsprechende Budgets überhaupt erst zur Verfügung zu haben.

(Das Kunstmäzen*innentum im Rollenspielbereich ist offenbar generell eher eine Gemeinschaftsangelegenheit (siehe Crowdfundings), daher denke ich nicht, dass hier nennenswert private Einzelsponsor*innen zu finden sind und überspringe diese Option.)

Gemeinsame Veröffentlichungen von Indie-Autor*innen

Ich freue mich sehr über Plattformen wie Itch.io, auf denen ich sehr niedrigschwellig auch als Solo-Creator schon Dinge veröffentlicht habe, bevor ich Plotbunny Games gegründet habe. Dort habe ich zum Beispiel das erste deutschsprachige Bundle “Indie-Rollenspiele auf Deutsch” organisiert (dessen Erfolg jede Hoffnung um beeindruckende Längen übertroffen hat) und pflege und promote weiterhin die Sammlung “Rollenspiele auf Deutsch” mit dort erhältlichen Materialien, um diese für mehr Leute leichter auffindbar zu machen. Man kann also bei Itch.io gemeinsam solche For-Profit-Coop-Bundles organisieren und mit vereinten Kräften bewerben kann (was zahlreiche Game Designer*innen im englischsprachigen Bereich auch regelmäßig tun).

Ebenso ließe sich auch ein Aufruf unter Indie-Game-Designer*innen starten, um gemeinsam eine eigene Sammlung als PDF oder als Druckwerk herauszubringen (der Druck wird ja günstiger, wenn man ein gemeinsames Heft mit mehr Seiten statt fünf verschiedenen Heften mit weniger Seiten drucken lässt) – ob nun zu den Gratisrollenspieltagen, wo zumindest deren Vertrieb kostenlos(!) von Pegasus übernommen werden würde, oder einfach so (wo man sich dann selbst um den Vertrieb kümmern muss, was wiederum Zeit, Geld und Knowhow benötigt). Die von mir layoutete Sammlung mit Material für Brindlewood Bay (deren zugrundeliegender und von mir co-organisierter Game Jam ironischerweise von Floriks damals noch unveröffentlichtem Projekt Bad Bründlholz inspiriert war und durch das er dennoch Reichweite dafür bekommen hat) ist am Ende genau so ein Gemeinschaftsprojekt (und in anderer Form auch die von mir gestaltete gemeinsame Werbebroschüre zu den Ergebnissen des Heimkino-Game-Jams), auch wenn sie aus organisatorischen Gründen nie gedruckt wurde. Auch der Aces in Space Game Jam, den Judith und Christian Vogt und Harald Eckmüller im Anschluss an das erfolgreiche Crowdfunding ihres Spiels Aces in Space organisiert haben, hat zahlreiche Kreative aktiviert und ihnen eine gemeinsame Plattform zur Bewerbung ihrer Werke gegeben. Wie bei den oben genannten verlagsgebundenen Förderungen und Wettbewerben war auch hier alles verständlicherweise auf das eigene Spiel fokussiert.

Wie bei allen Gemeinschaftsprojekten braucht es aber auch hier halt mindestens eine Person, die sie anleiert. Als Ort zum Organisieren bietet sich beispielsweise der von Philipp Teich gegründete Game-Design-Discord (Einladungslink) an, auf dem sich Kreative aus dem Rollenspielbereich vernetzen können. Auch die oben erwähnten Kanäle auf Verlags-Discords oder in verlagsunabhängigen Communitys wie dem Steinbru.ch (bei dem übrigens auch mehrere Aktive aus dem GRT-Team mitmachen) sind vielleicht geeignete Orte für solche Zusammenschlüsse. Oder halt eine der Social Media Plattformen (ich habe das deutschsprachige Itch-Bundle damals über Twitter organisiert, heutzutage würde ich Mastodon für so etwas nutzen).

Wer nicht gleich mit anderen zusammen publizieren will, kann vielleicht regelmäßig Veröffentlichungen von anderen Indie-Creators auf den eigenen Plattformen teilen. Das ist übrigens auch eine verbreitete Praxis z.B. während des jährlichen ZineMonth, wo viele Creator in ihren Crowdfunding-Updates andere unterstützenswerte Projekte empfehlen, die ebenfalls gerade finanziert werden (haben wir dieses und letztes Jahr auch gemacht). Meistens merken das die anderen Indie-Creator, freuen sich darüber und teilen im Gegenzug dann auch Sachen von einer*m selbst, so dass man sich gegenseitig Reichweite gibt – win/win!

Kontakte zu Streamer*innen, Podcaster*innen & Co

Orkenspalter TV als großer Rollenspiel-Actual-Play-Kanal gibt nicht nur etablierten Spielen von größeren Verlagen eine Plattform, sondern stellt immer wieder auch Reichweite für Kleinverlage und Nischenprojekte zur Verfügung (nicht nur in Actual Plays, sondern auch in Rezensionen und Talks), weil sie es wichtig finden und dafür Einbußen bei ihren Klicks und damit auch bei ihrem Einkommens hinnehmen. Auch kleinere Kanäle wie 3P – Partners in Pen & Paper, Shay Igrima, Zeitiger und diverse andere Hobby-Streamer*innen machen immer wieder Platz für Indie-Rollenspiele und promoten dadurch auch das Schaffen von Kreativen ohne die Marketing-Power von Ulisses, Pegasus oder Wizards of the Coast. Vergleichbares gilt auch für Podcasts und Talk-Streams, die immer wieder auch Interviews mit Kleinverlagen machen, Solo-Kreative einladen oder Indie-Spiele besprechen – beispielhaft seien hier Nerd ist ihr Hobby, Der nerdige und niveauvolle Trashtalk oder Plott Hook genannt, aber es gibt natürlich noch mehr. Manchmal wird man von diesen Kanälen eingeladen, aber meistens sollte man selbst Kontakt aufnehmen und ihnen einen Inhalt bzw. einen Aufhänger fürs eigene Projekt anbieten, der zur jeweiligen Plattform und deren Publikum passt (ja, das kann und sollte man zumindest grob recherchieren).

Man kann natürlich auch selbst streamen oder podcasten und versuchen, dadurch ein größeres Publikum zu erreichen. Zumindest dann, wenn man die Zeit dafür hat und sich die nötige kommunikative und technische Expertise aneignen kann. Und nein, wie alles andere können auch das nicht alle von uns. Aber es soll mindestens einen erfolgreichen Rollenspielverlag geben, der aus einem Podcast entstanden ist!

Und ja, auch das ehrenamtliche Team der Gratisrollenspieltage macht am Ende unbezahlt Werbung für uns – und das ist super und dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Und im Tausch machen wir auch Werbung für sie und für die gesamte Idee der GRT und nicht nur für unseren eigenen Anteil daran. Denn so funktionieren halt Communitys.

Schlussworte

Neben diversen Crowdfunding-Modellen, gegenseitiger Unterstützung und Beziehungspflege in der Rollenspiel-Community, angemessenen Verkaufspreisen für Rollenspielprodukte, bestmöglichen Honoraren für Auftragsarbeiten und sehr viel eigener Arbeit und eigenem Kompetenzerwerb in punkto Social Media Marketing & Co habe ich leider keine realistische und einfach umsetzbare Idee, wie sich das Schaffen von Indie-Kreativen im Rollenspielbereich sinnvoll bezahlen und bewerben ließe. Und ja, die strukturellen Ungleichheiten sind frustrierend. Solange wir kein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle haben (und ja, das wäre finanzierbar, wenn man es wollen würde), halte ich es aber für absurd, von einem Verlag (und damit immer auch einem Unternehmen) zu erwarten, dass er sich wie ein Charity-Projekt verhält und ohne jeden Eigennutz die Werbung für Indie-Autor*innen finanziert. Egal, ob der Verlag so groß ist wie Pegasus als 30 Jahre alte Verlags-GmbH mit 12,8 Mio. Euro Bilanzsumme im Jahr 2022 oder so klein wie Plotbunny Games als 1-Hasen-Unternehmen nach gerade mal 1,5 Geschäftsjahren.

Ich glaube: Wenn wir als Verlag oder als Solo-Creator Teil der Rollenspiel-Szene sein wollen und von ihren Netzwerken (auch finanziell) profitieren wollen, dann müssen wir uns auch selbst in dieser Szene engagieren, wo wir können, und unseren Teil dazu beitragen, sie gerechter und zugänglicher für möglichst alle Interessierten zu gestalten. Und das können die meisten von uns zumindest ein bisschen.

Bei Plotbunny Games tun wir das aktuell durch eine extrem hohe Beteiligung von Menschen, die keine heterosexuellen cis Männer sind, an all unseren Projekten; durch branchen-überdurchschnittliche Honorare für alle unsere Freelancer*innen und zusätzliche Bonuszahlungen aus bisher jedem Crowdfunding; durch das bezahlte Engagieren auch von Nachwuchsautor*innen für passende Projekte; durch finanzielle solidarische Umverteilung innerhalb unseres Publikums durch Community Copys; durch screenreader-geeignete PDFs bei allen Produkten und Bildbeschreibungen bei nahezu allen Social Media Posts; durch genderinklusives Formulieren in all unseren Texten; durch maßgeschneidertes Material fürs Online-Spiel; durch Kooperationen auch mit kleineren Creators, denen wir Reichweite geben, statt nur mit größeren Creators, die uns Reichweite geben; durch das kostenlose Teilen von Wissen in unseren Talk-Streams; durch die Teilnahme an Charity-Bundles auf Itch.io und natürlich durch unsere Spiele, die oft auch andere Perspektiven als die weißer, heterosexueller cis Männer ins Zentrum stellen. (Zu meinem persönlichen Engagement in der Rollenspielszene auch vor der Gründung von Plotbunny Games könnt ihr hier mehr nachlesen.) Mal sehen, was uns in Zukunft noch alles einfällt! Und natürlich hoffen wir, in manchen Punkten auch andere Verlage oder Solo-Publisher*innen zu inspirieren, Ähnliches zu tun oder uns gar zu übertreffen!

Nichtsdestotrotz sind wir als Verlag naturgemäß auch ein Unternehmen und fragen uns beim Geld ausgeben auch, in was wir damit investieren und was wir am Ende davon haben. Nicht immer ist das erhoffte Ergebnis einer zeitlichen oder finanziellen Investition in erster Linie ein Zugewinn an Geld, aber so zu tun, als täten wir unsere Arbeit allein aus Liebe zum Rollenspiel wäre auch nicht ehrlich (und auch nicht realistisch, solange wir halt auch Miete zahlen müssen und Zucchini kaufen wollen). Sprich: Für Kooperationen sind wir oft und gern zu haben, aber finanzielle Nachwuchsförderung läuft auch bei uns primär im Zusammenhang mit eigenen Spielen. Wenn das Bedingungslose Grundeinkommen da ist (auch dafür kann man sich engagieren), können wir da aber gerne nochmal neu drüber reden!

Auch dann wird es aber immer noch eine gute Idee sein, die Arbeit anderer Leute im Rollenspielbereich (ob bezahlt oder ehrenamtlich) mit Respekt zu behandeln und sich gegenseitig zu unterstützen – nicht nur aus Werbegründen, sondern auch, weil auch wir beruflich und ganz privat gerne in einer solidarischen und überwiegend freundlichen Community unterwegs sind! Und auch darum geht es ja auch bei den Gratisrollenspieltagen: Die Stärkung der Rollenspielszene, zu der wir alle unsere eigene Facette beitragen, damit alle von uns am Ende dort mindestens eine angenehme Ecke finden, in der sie sich willkommen und zuhause fühlen. (Außer Nazis. Die sollen sich bitte möglichst unwohl und unwillkommen fühlen, bis sie aufhören, Nazis zu sein. Toleranz-Paradox und so. Ihr wisst schon.)

Und wenn sich viele von uns gegenseitig unterstützen, dann reichen wir vielleicht immer noch die gleichen 20 oder 50 oder 100 € auf ewig im Kreis herum, aber am Ende haben wir trotzdem alle mehr tolle Rollenspiele und mehr tolle Streams geguckt und Podcasts gehört und Artikel gelesen und Rollenspiele entdeckt und natürlich Spielrunden gespielt – und das ist sowieso unbezahlbar!

(Bildcredits: Gratisrollenspieltag-Poster 2024: Andreas “Drachenwinter”. Schriftzug GRT: Filip. Zucchini: Marco Vech, lizensiert unter einer Creative Commons 2.0 (Attribution required)-Lizenz (CC BY). Bildbearbeitung und Collage: Andrea Rick)

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