Ausschnitt aus dem Coverbild von "Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen". Das Bild zeigt zwei junge Damen in 1950er-Kleidung, die dicht zusammen auf einem Sofa sitzen und miteinander reden. Eine ist Schwarz, die andere ist weiß. Eine dritte (ebenfalls weiß) beobachtet sie mit einem schockierten Gesichtsausdruck aus dem Türrahmen im Hintergrund.

Cover der zweiten Ausgabe (Illustration: Christiane Ebrecht, Gestaltung: Andrea Rick)

Die zweite Ausgabe von Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen ist inzwischen ja schon eine Weile erhältlich. Aber was ist bei dieser zweiten Ausgabe des Spiels eigentlich alles neu? Und was waren die Inspirationsquellen für einige der Neuerungen?

Ihr wisst vielleicht, dass das Spiel ursprünglich in knapp zwei Monaten während eines Games Jams geschrieben und (erst auf Englisch, dann auf Deutsch) als PDF veröffentlicht wurde. Schön und gut für eine digitale Ausgabe, aber nicht gut genug für eine Printversion!

Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen wurde von seiner Designerin Andrea Rick (= mir) daher für die zweite Ausgabe komplett überarbeitet und stark erweitert, so dass es jetzt doppelt so umfangreich ist wie vorher! Im Folgenden erzähle ich euch mehr zu den Überarbeitungen und Erweiterungen.

Der Anleitungsteil wurde komplett neu geschrieben und um Grundlageninformationen zu Firebrands-Spielen erweitert, die auch für andere Spiele aus dieser Designfamilie nützlich sind. Ich habe dort alles reingeschrieben, was ich gerne vor meinem ersten Firebrands-Spiel gewusst hätte, damit ihr weniger Zeit mit Try & Error verbringen müsst, um herauszufinden, was das überhaupt für eine Art Spiel ist und was das System euch bietet und von euch erwartet.

Die Leitideen zum Spielen habe ich um Leitideen zur Spielwelt ergänzt, um allen eine schnelle Orientierung über den Rahmen des Spiels zu ermöglichen. Hierbei habe ich mich von Hannah Möllmanns Firebrands-Spiel To See With Eyes Unclouded By Hate inspirieren lassen (leider bisher nur auf Englisch zu haben).

Auch das Kapitel zur Frage nach historischer Korrektheit habe ich neu geschrieben und um ein paar relevante Grundlagen erweitert, damit sich auch diejenigen schnell ins Setting einfinden, die wenig oder gar kein historisches Vorwissen haben. Zusätzlich gibt es im neu formulierten und erweiterten Anhang noch mehr historische Hintergrundinfos, die optional eingebaut werden können, wenn eure Spielrunde daran Interesse hat. Die Grundidee für die Gratwanderung zwischen historischer Korrektheit und dem Bedürfnis, am Spieltisch keine Diskriminierung zu reproduzieren, die nicht zentrales Thema des Spiels ist, basiert auf einer ähnlichen Herangehensweise, die Jason Cordova in The Between nutzt.

Konsens- und Sicherheitstechniken habe ich fest in die gemeinsame Spielvorbereitung integriert und um weitere lebensnahe Beispiele ergänzt. Denn für viele von uns ist es hilfreich, wenn wir sehen, wie man die oft eher abstrakt erklärten Werkzeuge in konkreten Sätzen ausdrücken kann.

Inhaltsverzeichnis der zweiten Ausgabe von “Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen”

Die Erstellung des Pensionats und der Figuren habe ich überarbeitet und noch mehr auf die Themen des Spiels fokussiert. Außerdem gibt es weitere Erläuterungen dazu, damit gerade zu Anfang des Spiels keine Fragen offen bleiben. Falls ihr zusätzliche Inspiration benötigt, gibt es im Anhang außerdem eine Reihe vorgefertigte Pensionate und junge Damen.

Die allgemeine Anleitung zum Spielen habe ich ebenfalls komplett neu geschrieben und erweitert, um Verständnisprobleme von Anfang an zu vermeiden. Und falls beim Spielen doch Stolperstellen auftauchen, gibt es jetzt außerdem Tipps zum Lösen von Problemen, die erfahrungsgemäß beim Einstieg in Firebrands-Spiele auftauchen können (auch diese sind für andere Firebrands-Spiele brauchbar). Hier war – neben meinen eigenen Spielerfahrungen – die Firebrands-Podcastreihe des +1 Forward Podcasts (in dem ich auch mit der englischen Version des Spiels, Miss Bernburg’s Finishing School for Young Ladies, zu Gast war) eine wichtige Quelle für mögliche Stolpersteine.

Zusätzlich gibt es ein langes Spielbeispiel, in dem der Ablauf einer kompletten Szene dargestellt ist und verschiedene Herangehensweisen an das Spielmaterial illustriert sind. Hier habe ich mich vor allem von Rae Nedjadi und seinen exzellenten Spielbeispielen in Our Haunt inspirieren lassen, die sich sehr lebensnah anfühlen und ganz selbstverständlich auch zeigen, wie Spielende einzelne Elemente der Geschichte aushandeln, bis sie für alle in der Runde stimmig sind.

Die erste Doppelseite des Spielbeispiels

Die Szenen selbst habe ich auch komplett überarbeitet und teils ganz neu geschrieben. Sie haben nun einen zusätzlichen Kurztext am Anfang, der in 2-3 Sätzen umreißt, worum es in der betreffenden Szene gehen kann. Außerdem wurden die Anleitungen zur Vorbereitung der Szenen vereinheitlicht und so übersichtlich wie möglich gestaltet. Auch viele Optionen der Auswahllisten wurden neu geschrieben oder angepasst, so dass sie noch besser zum Setting und zum Thema des Spiels passen. Szenen mit besonders vielen Auswahlmöglichkeiten haben außerdem Zwischenüberschriften bekommen, um schneller einen Überblick zu bekommen und Überforderung zu reduzieren. Es war mir dabei ein besonderes Anliegen, die Textmengen so überschaubar zu gestalten, wie ich konnte, um diese Hürde der Firebrands-Designfamilie zumindest ein wenig zu senken.

Eine Szene (Ein Abschiednehmen) ist zudem ganz neu hinzugekommen, um das Spiel strukturiert abzuschließen. Hier habe ich mich vor allem von der Abschlussszene aus Stewpot: Tales From A Fantasy Tavern von Takuma Okada inspirieren lassen. Eine komplette Liste der Quellen und Inspirationen für die anderen Szenen gibt es im Anhang des Buchs.

Doppelseite mit den ersten zwei Seiten der Szene "Gerüchteküche" aus "Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen". Man sieht die Erklärung der Szene, eine Zeichnung von zwei jungen Damen, von denen eine der anderen etwas zuflüstert, und einen Teil der Auswahloptionen.

Die erste Doppelseite der Szene “Gerüchteküche” in der zweiten Ausgabe (Illustration: Andrea Rick)

Viele dieser Änderungen basieren auf den in diversen Spielrunden und Playtests gesammelten Erfahrungen mit früheren Versionen von Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen und mit anderen Firebrands-Spielen.

Im Anhang des Spiels finden sich nicht nur die bereits erwähnten vorgefertigten Pensionate und jungen Damen und weiterführende Informationen zum historischen Hintergrund (mit besonderem Augenmerk auf Mode, Musik, Film und Literatur ebenso wie auf Themen, die besonders Frauen, queere Menschen, BIPOC und Migrant*innen und jüdische Menschen betrafen), sondern auch umfangreiche Namenslisten für deutsch- und englischsprachige Settings, die euch jeweils 20 weibliche, männliche und geschlechtsneutrale Vornamen und Nachnamen aus allerlei kulturellen und ethnischen Hintergründen bieten, die in den 1950er Jahren von jungen und älteren Menschen getragen wurden. Und ganz zum Schluss findet ihr noch eine Liste mit Inspirationen und Ressourcen, die ich beim Entwickeln des Spiels und bei der Überarbeitung als stilistische und thematische Referenzpunkte genutzt habe.

Dank eines professionellen Lektorats von Jasmin Neitzel und eines ebenso professionellen Korrektorats von Camilla Kutzner (unterstützt durch das Community-Korrektorat vom Plotbunny-Games-Discord) hat der Text zusätzlichen Schliff zum Abschluss bekommen.

Und dann haben wir noch gar nicht über 26 neuen Illustrationen gesprochen, die Christiane Ebrecht und Andrea Rick (= immer noch ich) für die zweite Ausgabe angefertigt haben! Sie zeigen eine große Bandbreite an jungen Damen im Pensionat mit liebevoll recherchierten modischen Details. Auch das Layout ist komplett neu gemacht worden und das Cover wurde ebenfalls neu gestaltet, um es mehr an die Ästhetik von Pulp-Romanen der 1950er Jahre anzupassen (beides von mir) – die tolle Illustration der ersten Ausgabe ist aber in leicht überarbeiteter Version immer noch vorhanden.

Doppelseite mit der Beschreibung und den Auswahloptionen der Clique Hausfrauen aus "Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen". Man sieht eine Schwarze junge Dame in einem hellblauen Kleid, die in einer Küche einen Kuchen in der Hand hält.

Doppelseite zur Clique der Hausfrauen (Illustration: Christiane Ebrecht)

Kurz: Aus einem noch etwas unbeholfenen Backfisch, der in knapp zwei Monaten auf Englisch geschrieben, mittelgut ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht wurde (= die erste Ausgabe), ist nun eine elegante und stilsichere junge Dame geworden, die sich souverän auf dem gesellschaftlichen Parkett des deutschsprachigen Rollenspiels präsentieren kann!


Wir danken allen, die zur zweiten Ausgabe beigetragen haben!

Wir freuen uns besonders, dass wir mit dem Crowdfunding ganze 49 Community Copys finanzieren konnten, die nun bei Itch.io kostenlos allen zur Verfügung stehen, die sich das Spiel zum vollen Preis sonst nicht leisten können. Danke an alle Spender*innen!

Wir freuen uns außerdem, dass wir allen Projektbeteiligten einen zusätzlichen Bonus zu ihrem Honorar zahlen konnten, das ohnehin schon nennenswert höher war als das, was sonst im deutschsprachigen Rollenspielbereich üblich ist. Schließlich soll professionelle Arbeit auch möglichst angemessen bezahlt werden, damit gerade marginalisierte Menschen sich die Arbeit im Rollenspielbereich überhaupt leisten können.

Wenn ihr Rückmeldungen zum Spiel für uns habt, freuen wir uns immer über Kommentare und 5-Sterne-Bewertungen bei Itch.io und direkte Nachrichten an uns. Wenn euch das Spiel gefällt, erzählt es gerne an andere Menschen weiter!

Aber jetzt erstmal: Viel Vergnügen beim Lesen und Spielen von Fräulein Bernburgs Pensionat für junge Damen!

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