Ein rundes Barschild mit dem Text "Viva la QueerBar" in Orange, Pink und Lila. An der Häuserwand darunter klebt eine Philadelphia-Pride-Regenbogenflagge.

Wie könnt ihr respektvoll Viva la QueerBar spielen, wenn ihr selber cis und hetero seid und noch nicht viel Erfahrung mit dem Verkörpern queerer Figuren habt? Diese Frage kam bei einem Verlagstalk auf unserem Discord während des Crowdfundings für Viva la QueerBar auf.

Tatsächlich gelten unsere Antworten aber fast alle auch für queere und trans Leute, die in einem Rollenspiel eine Figur spielen wollen, deren Geschlecht oder Orientierung anders ist als unsere eigene. Dieser Artikel sollte also für praktisch alle Spielenden nützlich sein!

Hier sind unsere gesammelten Antworten (von uns beiden Designerinnen, Sandra Dahlhoff und Andrea Rick, und von unserer Crowdfunding-Beraterin Jasmin Neitzel, die ebenfalls eine richtig gute Idee einwarf), in keiner besonderen Reihenfolge:

Vorgefertigte Figuren nutzen

Nutze eine der vorgefertigten Figuren, die du als eins der Bonusziele bekommst (oder bastele dir deine Figur selbst aus den Vorschlägen zusammen). So kannst du versichert sein, dass die Game-Designerinnen es in Ordnung finden, dass diese Art Figur in diesem Spiel existiert, und du hast direkt ein bisschen Material zum Loslegen.

Queere Figur aus den Medien ausleihen

Leihe dir eine queere Figur zum Spielen aus einem Film, einer Serie, einem Roman oder einem Videospiel aus, damit du nicht bei Null anfangen musst. Hier sind ein paar Beispiele für coole Serien, aus denen du queere Figuren klauen kannst: Pose, Tales of the City, Eine Klasse für sich (A League of Their Own), Our Flag Means Death, The L-Word Gen Q, … Du kannst die mehr realweltlichen Figuren mit ein paar Anpassungen natürlich auch in fantastischere Setting setzen.

Figurenbau wie sonst, dann queer machen

Denk daran, dass queere Menschen kein Monolith sind – es gibt uns in allen Formen, Farben und Charaktertypen. Wenn du eine “übliche” Figur baust, die du interessant findest (und die ins abgemachte Setting passt) und sie dann(!) queer machst, landest du wahrscheinlich bei etwas, das glaubwürdig genug ist.

Stereotypen sind (oft) okay

Mach dir nicht zu viel Gedanken darum, um jeden Preis Stereotypen zu vermeiden. Super-extravagante schwule Diven, butchige Lesben in Karo-Flannelhemden, polyamoröse Kuschel-Bisexuelle, und trans Leute, die ihren neuen Stil noch nicht gefunden haben, gibt es auch im echten Leben (glücklicherweise!) und es ist okay, sie als Figuren zu spielen. Außerdem: Da alle Figuren im Spiel queer sind, liegt die Last der “guten Repräsentation” nicht allein bei dir, sondern alle Mitspielenden tragen sie gemeinsam.

Figur neu sein lassen

Spiel eine Figur, die gerade erst ihr Coming-Out hatte (das muss keine junge Person sein), die ihre Identität noch hinterfragt, oder die neu in der Bar/Stadt/Gegend ist. Das gibt dir eine Möglichkeit, deine eigenen Gefühle von Neuheit und Unsicherheit in deine Figur zu kanalisieren. Es bedeutet auch weniger Druck, es “richtig zu machen”, weil deine Figur zusammen mit dir lernt.

Etwas Gemeinsames finden

Finde etwas, das du mit deiner Figur gemeinsam hast oder etwas, von dem du schon weißt, dass du dich damit wohlfühlst, es zu spielen: Ein wichtiges Hobby, einen Charakterzug, einen visuellen Stil, oder irgendetwas anderes, mit dem du dich wohlfühlst. Du kannst diesen Wohlfühlbereich dann als Ausgangsbasis benutzen und ein neues Element oder zwei hinzufügen (wie z.B. eine gleichgeschlechtliche Anziehung oder ein Geschlecht, das nicht dein eigenes ist).

Weniger realweltliches Setting wählen

Wählt ein Setting, dass weniger realweltlich und dafür fantastischer ist. Das kann dir helfen, dir weniger Sorgen zu machen, dass du es “falsch machst” – schließlich gibt es keine “korrekte” Art, eine queere Taverne im Fantasy-Mittelalter oder ein Raumstations-Queercafé darzustellen.

Mitspielende fragen

Wenn du in einer Gruppe spielst, die gemischt queer/hetero oder cis/trans ist (oder eigentlich in jeder Gruppe, in der es verschiedene Geschlechter/Orientierungen gibt), frage die anderen Spielenden nach Vorschlägen, wenn du dich über Details unsicher bist. Du kannst das zu Beginn der Runde machen, um Leuten die Chance zu geben, sich dieser Dynamik zu entziehen, oder du kannst es machen, wenn der Bedarf entsteht.

Wenn du in einer Gruppe spielst, in der alle cis und hetero sind, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, reale queere Menschen mit einem ignoranten Kommentar zu verletzen (sie ist allerdings nicht null, denn du weißt ja nie, wer einfach noch nicht out dir gegenüber ist).

Gemeinsames Geschlecht bei trans Figur wählen

Wenn du cis bist und zum ersten Mal eine trans Figur spielen willst, nimm das Geschlecht, das du mit ihr teilst (wenn du also z.B. ein cis Mann bist, spiel einen trans Mann; wenn du eine cis Frau bist, spiel eine trans Frau). Dadurch teilst du mit deiner Figur bereits deren innere Sicherheit, dass ihr Geschlecht richtig ist und musst dir nur vorstellen, wie es wäre, wenn der Rest der Welt die Gültigkeit deines Geschlechts andauernd in Frage stellt.

Emotionalen Kern suchen und mit eigenen Erfahrungen verbinden

Wenn du eine Frage ziehst, die sich direkt um die Queerness deiner Figur dreht, suche einen emotionalen Kern, den du mit deinen eigenen Erfahrungen verbinden kannst. Auch wenn du nicht selbst queer oder trans bist, hast du vielleicht trotzdem Unsicherheit über deine Identität erlebt, einen Ausschluss aus einer sozialen Gruppe, unerwartete Gefühle der Anziehung (oder deren Abwesenheit), oder die Unterstützung einer Gruppe Gleichgesinnter, die verstehen, was andere nicht verstehen.

Frage weitergeben oder mit Veto herausnehmen

Wenn du eine Frage ziehst, die dir mehr Unbehagen bereitet, als du gerade fühlen möchtest, denk dran, dass du die Frage immer auch an eine andere Person in der Spielrunde weitergeben oder sie komplett aus dem Spiel heraus nehmen kannst. Das ist keine große Sache – wir selbst als die Designerinnen des Spiels machen das auch, wenn eine Frage einfach nicht das Richtige für den Moment ist!

Wir hoffen, dass einige dieser Strategien für dich funktionieren, wenn du die ersten Schritte damit machst, eine Figur zu spielen, deren Geschlecht und/oder Orientierung anders sind als deine!

(Illustration: Hannah van den Höövel, aus Viva la QueerBar)

Dieser Text wurde zuerst am 13.03.2023 in einem Kickstarter-Update veröffentlicht und für diese Version leicht angepasst.

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