Andrea Rick hat kürzlich ein Interview zum Thema Indie-Rollenspiele und Erzählspiele gegeben, das wir auch hier veröffentlichen dürfen:
Stell dich bitte kurz vor und sage uns, wie du zum Hobby Rollenspiel gekommen bist.
Ich bin Andrea Rick, eine queere, nichtbinäre und neurodivergente Game Designerin, Grafikdesignerin, Übersetzerin, Lektorin und die Inhaberin des Rollenspielverlags Plotbunny Games. Ich bin rollenspielerisch ausgesprochen neugierig und experimentierfreudig, mag Oneshots und Kurzkampagnen und bevorzuge dabei regelleichte und erzähllastige Spiele, habe aber auch ein bisschen ins traditionellere Pen & Paper hineingeschnuppert.
Ich habe erst 2020 mit dem Rollenspielen angefangen, weil die Pandemie mir mein früheres, soziales Lieblingshobby geklaut hat. Ich bin dann sehr schnell vom Spielen zum Leiten und dann zum Schreiben von Rollenspielen gekommen und habe im Spätsommer 2022 dann Plotbunny Games gegründet, wo ich sowohl deutschsprachige Originale als auch Übersetzungen veröffentliche.
Was sind grundsätzlich für dich Indie-Rollenspiele / Erzählspiele?
Indie-Rollenspiele sind für mich zunächst Spiele, die von Kleinstverlagen und Self-Publisher*innen veröffentlicht werden. Häufig erkunden sie auch nischigere Themen, nutzen ungewöhnlichere Spielmechaniken oder betonen andere Aspekte oder Produktionsweisen, die abseits des rollenspielerischen Mainstreams stattfinden.
Erzählspiele sind für mich Spiele, die in ihrem gesamten Game Design darauf abzielen, gemeinsam eine Geschichte (oder ein Geflecht von Szenen) zu erzählen. Um ein möglichst realitätsnahes Simulieren der Spielwelt mit zig Attributen und zu verwaltenden Ressourcen kümmern sie sich hingegen wenig. Ihre Mechaniken lenken meist die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte einer Handlung oder eines Settings. Oft geben sie auch eine bestimmte Erzählstruktur vor. Das liegt auch daran, dass viele von ihnen spielleitungslos sind und die SL-Aufgaben daher verteilt oder vom Spiel selbst übernommen werden. Manche Erzählspiele konzentrieren sich auch auf das gemeinsame Erschaffen von Welten oder das Erzählen aus anderen Perspektiven als der klassischen Gruppe Charaktere, von denen jede mitspielende Person genau einen steuert.
Wodurch unterscheiden sie sich vom Rollenspiel-Mainstream bzw. benötigen sie eine andere Herangehensweise als Spielsystem?
Teils habe ich das oben schon beantwortet. Sie erfordern es, sich aufs jeweilige Spielthema und die vorhandenen Regelmechaniken einzulassen, sonst funktionieren sie meist nicht so gut. Wenn sie spielleitungslos sind, sollten alle Spielenden außerdem Lust auf aktive Mitgestaltung des Geschehens haben.
Was sind deine Top 3 Indie-Rollenspiele / Erzählspiele und warum?
Ich ändere mal eben die Regeln und nenne vier Spiele statt drei für ein angemessen rundes Bild. ;)
In alphabetischer Reihenfolge:
- Brindlewood Bay (Jason Cordova) holt mich als Spielerin mit seinen alten Frauen als Hauptfiguren und der unterhaltsamen Ermittlungsmechanik enorm ab und gibt mir als Spielleitung exakt das Material, das ich am Tisch brauche, um eine gute Basis für eigene Improvisationen und Ideen zu haben.
- Cozy Town (Rae Nedjadi) vereint Wohlfühl-Worldbuilding mit der Frage danach, wie Gemeinschaften sich entwickeln können und wie sie freundlich und konstruktiv mit Konfliktpotenzial umgehen können. Und es hat das cuteste Artwork ever!
- Lasers & Feelings (John Harper) bietet auf minimalem Raum regelleichten Space-Opera-Spielspaß für improvisationsfreudige Spielleitungen und Spielende mit Lust aufs gemeinsame Schwelgen in Genre-Tropes. Hat außerdem unzählige Hacks inspiriert, darunter auch mein erstes eigenes Spiel Magical Pets.
- Ma Nishtana – Why Is This Night Different? (Gabrielle Rabinowitz & Ben Bisogno) hat mich beim Spielen mit seiner rituellen Struktur, seinen überraschend effektvollen materiellen Handlungen auch am digitalen Spieltisch, seiner Setting-Flexibilität und mit seiner durch und durch jüdischen Perspektive beeindruckt.
Was möchtest du uns unbedingt noch mitteilen? (zum Thema Indie-Rollenspiele / Erzählspiele, zu dir in der Rollenspielwelt, zu Rollenspiel allgemein, eigenen Projekten …)
Ich habe gerade zusammen mit Jasmin Neitzel ein neues Erzählspiel geschrieben (unsere dritte gemeinsame Kreation), das am 6. Februar 2024 ins Crowdfunding geht.
Gegen das Monster / Against the Monster ist ein Erzählspiel um eine Monsterjagd, das Gute im Monster und das Monströse in den Jagenden. Ob Drache, Vampir*in, Tentakelmonster oder künstliche Intelligenz — in welchem Setting ihr welches Monster jagt, entscheidet ihr selbst.
“Ihr habt euch gemeinsam auf die Jagd nach dem Monster gemacht, um seinem Dasein ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Wenn das Monster euch am Ende gegenüber steht: Greifst du es tatsächlich an?”
Dieses Interview wurde zuerst am 16.02.2024 im “Upgrade-Your-Roleplay-Rollenspielimpulsletter” von Kilian Braun veröffentlicht. Dies ist eine minimal editierte Version.
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